Die Kraft der Selbsthypnose
Als Jugendlicher neigte ich dazu, andere belehren zu wollen. Zum Beispiel, sie von der Wichtigkeit von Umweltschutz zu überzeugen. In anderen Fällen, wünschte ich mir ein bestimmtes Verhalten, zum Beispiel Unterstützung, Beistand oder Beachtung. Weil diese Dinge nicht einzufordern waren, driftete ich in Ängste, Depression und Einsamkeit ab. Doch mit der virtuellen Begegnung zu den Gedanken zweier Menschen hat sich das Leben nach und nach hin zu mehr Freiheit durch gedankliche Flexibilität gewandelt:
Überlebensmechanismen in einer Extremsituation

Die erste Begegnung war mit den Gedanken Viktor Frankls: Der in Wien geborene Psychiater und Neurologe lebte von 1905 bis 1977 und hatte eine einschneidende Erfahrung: das Überleben eines NS-Konzentrationslagers. Seine Überlebensstrategie waren die Gedanken. Zum einen konnte er durch sie trotz allen einen Sinn finden. Beispielsweise hielt Frankl in seinem Kopf Vorträge. Sein Kerngedanke war: Auch wenn die Nazi-Schergen alles nehmen können – Nahrung, Schlaf, Erholung, Sicherheit usw. – jenes aber nicht: Sich zu den Dingen so oder anders zu stellen, also seine Einstellung verändern. Nach dieser einschlägigen Erfahrung gegründete Frankl die Logotherapie bzw. Existenzanalyse, dessen Kerngedanke ist Heilung durch Sinnhaftigkeit.
Hypnose heißt Selbsthypnose
Die zweite Begegnung war mit dem Magier und Hypnotiseur Thimon von Berlepsch in einer Talkshow im Fernsehen. Magier klingt erst mal etwas befremdlich. Zurecht, denn Berlepsch kann Menschen hypnotisieren. Er führte vor, wie ein Glas allein dadurch zerbrechen kann, wenn alle gemeinsam an das Glas denken. Oder dass ein Mann hypnotisiert wird, von „1“ bis „5“ zu zählen und dabei die „4“ auf Befahl überspringt. Der Kerngedanke dabei war jedoch: Hypnose ist immer Selbsthypnose. Wenn ich mich nicht auf sie einlasse, passiert mir nichts bzw. passiert nichts.
Selbsthypnose ist demnach aus seiner griechischen Herleitung tranceähnliche Fokussierung. Die Grenze des Menschen ist manchmal die Beschaffenheit eigener Gedanken. Zum Beispiel, was man sich selbst zutraut oder eben gerade nicht. Wie wir über uns selbst denken und sprechen, wirkt sich direkt auf Wahrnehmung, Denken und Handeln aus. Auch in der Bibel findet sich eine gute Metapher für die Stärke von Gedanken:
„Wenn euer Glaube nur so groß ist wie ein Senfkorn, könnt ihr zu diesem Berg sagen: ›Rücke von hier nach dort!‹, und es wird geschehen. Nichts wird euch dann unmöglich sein!“
Die Bibel, Neues Testament, Markus-Evangelium, Kapitel 17, Vers 20
Die Kraft der Gedanken mit Handlungen verstärken
Manchmal helfen auch Affirmationen, um das Denken in andere Spuren zu lenken:
- Sich selbst „Stopp“ sagen und ein Ritual vollziehen, zum Beispiel eine Türe schließen „Die negativen Gedanken lasse ich hinter der Tür liegen“
- Sich abgrenzen: „Das ist nicht meine Meinung. Andere können denken, was sie wollen, mein Wert bleibt immer gleich; ich entscheide, wie ich mich fühle.“
- Sich bewusst werden: „Ich fühle gerade etwas. Das ist okay. Ich bin nicht meine Gefühle.“
Letztlich ist auch unser Denken ein Resultat unserer Gewohnheiten, die auf Erfahrung, Erfolgen, Misserfolgen und anderen Faktoren liegt. Das mag manchmal fast deterministisch wirken, aber das tröstliche ist: Durch einen Gegengedanken kann ich hier und jetzt sofort etwas tun, um das Leben ein klein wenig in eine andere Richtung zu bewegen. Nach und nach können dabei auch Bestätigungen erfolgen, das Beispiel das Erfahren von Selbstachtung und Authentizität. Das positiv Denken wird mehr und mehr automatisch, aber am Beginn braucht es eine starke Bewusstheit, Ausdauer und Geduld.
Literaturhinweise
- Thimon von Berlepsch und Daniel Oliver Bachmann (2016): Der Magier in uns. Wie wir mit Neugier und Vorstellungskraft unsere Welt verändern können. 1. Auflage, Taschenbuchausgabe. München: Goldmann. ISBN: 978-3-442-15901-7.
- Jan Becker und Christiane Stella Bongertz, (2019): Du kannst schaffen, was du willst. Die Kunst der Selbsthypnose. München: Piper. ISBN: 978-3-492-31520-3.
- Viktor Emil Frankl (2018): … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. München: Penguin Verlag. ISBN: 978-3-328-10277-9.
