Annas Gedanken zu Barrierefreiheit

Was sind Barrieren eigentlich?

Viele Menschen denken Barrieren sind sowas wie Treppenstufen. Oder zu enge Türen und Toiletten. In Wirklichkeit sind Barrieren sehr unterschiedlich und es gibt sehr viele davon. Ich will versuchen das so zu erklären, dass es Jeder verstehen kann. Meistens schreibe ich sehr lange und komplizierte Sätze. Ich will versuchen das hier in leichter Sprache zu erklären. Komplizierte Sprache ist nämlich auch eine Barriere für viele Menschen. Das ist mein erster Versuch. Ich hoffe es klappt 🙂

Menschen sind sehr verschieden. Es gibt auch sehr viele verschiedene Behinderungen. Zum Beispiel körperliche Behinderungen oder Lernschwierigkeiten. Manche Menschen können nichts sehen oder nichts hören. Manche Leute sind autistisch. So wie ich, ich bin Autistin. Autisten haben Probleme mit der Wahrnehmung und mit der Kommunikation.

Manche Sachen können behinderte Menschen nicht machen und nichtbehinderte Menschen schon. Zum Beispiel eine Treppe hochlaufen oder die Farbe einer Ampel sehen. Nicht alle Menschen können lesen oder telefonieren oder komplizierte Sachen verstehen.

Treppen und komplizierte Texte sind Barrieren. Telefonieren und Ampeln ohne Geräusche und Vibrationen sind auch Barrieren. Es gibt aber noch viel mehr davon. Barrieren sind so unterschiedlich, weil behinderte Menschen so unterschiedlich sind. Alles was behinderte Menschen ausschließt, ist eine Barriere. Eine Barriere ist also sowas wie eine Bahnschranke. Und behinderte Leute kommen einfach nicht vorbei. Alle Anderen schon.

Wer macht Barrieren?

Die Welt ist voller Barrieren. Viele Menschen merken das garnicht, weil sie nicht behindert sind. Früher hat man nicht an behinderte Menschen gedacht. Man hat Treppen gebaut und Ampeln und Telefone für nichtbehinderte Menschen. Die gibt es jetzt immernoch.

Es werden auch neue Barrieren von vielen Menschen gemacht. Manchmal ist das keine Absicht. Sie wissen es nicht besser. Manchmal ist es billiger. Menschen ohne Behinderungen finden es einfacher. Sie finden es umständlich Barrieren zu vermeiden. Sie sind es so gewöhnt wie es ist. Mit Treppen und Ampeln und Telefonen.

Manchmal machen auch behinderte Menschen Barrieren für andere behinderte Menschen. Das kann jedem von uns passieren.

 Was heißt Barrierefreiheit?

Barrierefreiheit heißt, dass es keine Barrieren gibt. Das klingt sehr einfach, ist es aber nicht. Weil Barrieren überall sind und weil sie so verschieden sind. Wenn es im Bahnhof zum Beispiel gute Aufzüge gibt, ist eine Barriere für Rollstuhlfahrer verschwunden. Wenn die Ansagen aber nur über Lautsprecher kommen, gibt es noch Barrieren für gehörlose Menschen. Der Bahnhof ist dann nicht barrierefrei.

Es sind nur wenige Orte ganz und gar barrierefrei. Manche Orte sind barrierearm. Das heißt es gibt dort nur wenige Barrieren.

Was kann man gegen Barrieren machen?

Es ist wichtig, dass alle Menschen mithelfen Barrieren abzubauen. Darum ist es wichtig, dass alle Menschen etwas über Barrieren und Behinderungen lernen. Es gibt so viele Behinderungen und Barrieren. Sie müssen also sehr viel lernen.

Lernen braucht Zeit. Und man braucht gute Lehrer. Behinderte Menschen wissen am besten was Barrieren sind. Also sind behinderte Menschen die besten Lehrer.

Darum ist es wichtig behinderte Menschen zu fragen. Und es ist wichtig, dass wir anderen Menschen erklären welche Barrieren es gibt. Das ist manchmal ganz schön anstrengend. Darum ist es gut, wenn es Anleitungen gibt.

Welche Barrieren gibt es für autistische Menschen?
Was kann man dagegen machen?

Autistische Menschen sind unterschiedlich. Sie haben verschiedene Barrieren. Manche Sachen sind aber bei vielen Autisten gleich.

Ich erkläre ein paar Beispiele für Barrieren.
In Grün erkläre ich was man am besten dagegen machen kann.

  • Telefonieren – Manche Autisten können nicht sprechen. Manche können sprechen, aber nicht am Telefon. Manche haben Angst vor dem Telefonieren. Manche wissen nicht wie man telefoniert und was sie sagen sollen.
    • Keine Telefonate von Autisten verlangen.
    • Besser ist E-Mail-Schreiben.
    • Briefe sind auch okay.
  • Gruppen – Viele Autisten haben Probleme in Gruppen. Sie verstehen die Regeln manchmal nicht. Sie verstehen manchmal nicht was die Anderen wollen. Und die Anderen verstehen die Autisten manchmal nicht. Oft erleben Autisten in Gruppen Gewalt und Mobbing. Gruppen sind oft laut und durcheinander. Das ist für Autisten auch ein Problem.
    • Keine Gruppenarbeit verlangen.
    • Klare und eindeutige Regeln.
    • Kleine Gruppen bevorzugen.
    • Nacheinander sprechen, nie mehrere Leute gleichzeitig.
    • Für Ruhe in der Gruppe sorgen.
  • Anfassen – Viele Autisten wollen nicht angefasst werden. Es ist schlimm für sie. Manchmal tut es ihnen weh. Auch wenn es nur ganz leicht ist oder aus Versehen passiert. Auch Händeschütteln ist ein Problem. Besonders schlimm ist es, wenn sie nicht vorher gefragt werden.
    • Kein Händeschütteln zur Begrüßung oder zum Abschied.
    • Nicht Anfassen ohne vorher zu fragen.
    • Aufpassen, dass man Autisten nicht aus Versehen anrempelt.
    • Ein bisschen Abstand halten, z.B. beim Schlangestehen.
  • Gespräche – Viele Autisten verstehen nur schlecht Ironie. Sie verstehen alles wörtlich und bemerken nicht den Tonfall. Sie meinen was sie selber sagen auch wörtlich. Sie sind meistens sehr ehrlich. Manchmal hört sich das unhöflich an, aber es ist nicht so gemeint. Manche Autisten können nicht mit dem Mund sprechen. Manche können nur in bestimmten Situationen sprechen und manchmal nicht.
    • Ganz direkt und genau sagen was man meint.
    • Sarkasmus und Ironie vermeiden. Wenn doch dann dazu sagen, dass es ironisch gemeint ist. (Manche Autisten verwenden selbst viel Ironie. Aber sie verstehen es trotzdem bei Anderen nicht immer.)
    • Nicht „zwischen den Zeilen“ lesen. Autisten meinen was sie sagen.
    • Direkte und ehrliche Aussagen nicht persönlich nehmen.
    • Nicht erwarten, dass Menschen mit dem Mund sprechen. Schreiben statt sprechen, auf Papier oder mit Talker / Apps.
    • Manche Autisten sprechen in Gebärdensprache.
  • Geräusche – Viele Autisten vertragen keinen Lärm. Sie hören alle Geräusche gleichzeitig. Auch wenn sie ganz leise sind. Laute Orte sind für Autisten nicht barrierefrei. Auch viele leise Geräusche sind für Autisten wie Lärm.
    • Geräusche so gut es geht vermeiden. Zum Beispiel durch leise Computer und Maschinen.
    • Nicht mehrere Gespräche im gleichen Raum.
    • Keine Hintergrundmusik. Kein Radio, kein Fernseher nebenbei.
    • Laute Umgebungen ankündigen. Dann kann man Ohrstöpsel mitbringen.
    • Auf Veranstaltungen einen Ruheraum haben, in den man jederzeit alleine gehen kann.
    • Geräusche durch Textilien dämpfen. Zum Beispiel Untersetzer am Tisch.
  • Licht – Viele Autisten vertragen keine Neonröhren. Auch keine helle Lampe oder blinkende Lichter. Auch Tageslicht oder Sonnenlicht sind für viele Autisten ein Problem.
    • Keine Neonröhren. Keine Blinklichter. Kein grelles Licht.
    • Rollos oder Vorhänge verwenden. Das ist gut gegen Leuchtreklamen und Straßenlaternen.
    • Veranstaltungen draußen nicht in praller Sonne. Die Möglichkeit in einen dunklen Innenraum ausweichen zu können.
  • Geruch – Für viele Autisten sind Gerüche sehr intensiv. Auch schöne Gerüche sind für Autisten oft unangenehm. Duftlampen zum Beispiel. Oder Parfum. Das ist für manche Autisten so schlimm, dass sie es garnicht aushalten können.
    • Kein Raumduft. Keine Duftkerzen, auch nicht wenn sie aus sind. Keine Duftlampen.
    • Keine Duftbäumchen im Auto.
    • Wenn möglich kein Parfum. Keine stark riechende Creme oder Deo.
    • Wäsche für Autisten geruchsneutral waschen. Oder fragen welches Waschmittel der Autist mag.
    • Auf Sauberkeit achten. Damit keine Gerüche entstehen.

Manche Autisten finden nicht alles gleich schlimm. Für manche gibt es noch andere Barrieren. Am besten ist es zu fragen. Viele Autisten mögen direkte Fragen. Fragen Beantworten ist leichter als selbst mit Reden anzufangen.

Autismus kann man nicht sehen. Trotzdem sind Barrieren für Autisten echte Barrieren. Sie können sie auch nicht überwinden, wenn sie sich anstrengen. Jedenfalls nicht sehr lange. Man soll das also nie von Autisten verlangen. Genau wie man nicht von einem Rollstuhlfahrer verlangt, Treppen zu steigen.

Ihr könnt als Kommentar gerne schreiben welche Barrieren ihr noch kennt. Und was man dagegen machen kann auch. Ich würde mich freuen 🙂

An alle möglichen Barrieren zu denken ist anstrengend. Für mich ist es zum Beispiel anstrengend kurze Sätze zu schreiben. Aber man gewöhnt sich daran. Man muss bloß genug üben an Barrieren zu denken. Manchmal ist es auch spannend, wenn man etwas Neues ausprobiert. Barrierefreiheit ist nicht nur anstrengend. Es macht auch Spaß kreative Lösungen zu finden 🙂

Eure Anna

4 Gedanken zu „Annas Gedanken zu Barrierefreiheit

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